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Der Anekdoten ...

... könnte ich dank der vier Jahre, die Erískedhs Wille auf dem Markt ist, viele erzählen; und darunter ist eine, die verblüffend dem ähnelt, was eine schreibende Kollegin gestern in ihrem Weblog berichtet hat.

Vor ungefähr vier Jahren, es war ein schönerer Frühling als heutzutage, suchte ich mit meinem druckfrischen Erstling die diversen Heidelberger Buchhandlungen heim, von denen eine – die übrigens, nachdem sie erst durch einen notgedrungenen Verkauf hart am Ruin vorbeigeschrammt war, mittlerweile doch Konkurs anmelden mußte – sich bereit erklärte, mein Buch in Kommission zu nehmen; ein Angebot, welches ich trotz des miesepetrig-skeptischen Blicks meiner buchhandelnden Gesprächspartnerin mit Freuden annahm.
’s war kein Vierteljahr vergangen, daß ich beschloß, mein Kommissionsexemplar – zum wiederholten Male – zu besuchen, Umschlag und Seiten darauf zu prüfen, ob es auch schön regelmäßig in die Hand genommen, durchgeblättert und als kaufenswert erachtet würde, und ihm zuzuflüstern, daß ich ja bald wiederkäme. Aber ach! man hatte es, so schien es, vom Regal der vielversprechenden Neuerscheinungen in der Kinder- und Jugendbuchsparte, wo es einst so stolz gethront, hinweggerafft und in ein staubiges, dunkles Regal verfrachtet, wo es nun sein kümmerliches und vor allem unbeachtetes Dasein fristen mußte.

Ich ging also auf die Suche, faßte den wagemutigen Plan, dem Werk – schließlich war es das meinige! – zu besserer Position und höherem Regalrang zu verhelfen. Ich scheiterte. Das ein wenig zu großformatig geratene Buch mit dem vegetarischen Löwen auf dem Cover war nirgends aufzutreiben. Geschlagene anderthalb Stunden durchstöberte ich die Buchhandlung, angefangen vom umfangreichen Kinder- und Jugendbuchbereich über die Fantasy-Regale – nicht einmal die fremdsprachige Phantastik ließ ich aus! – bis hin zur Belletristik. Nirgends ein Werk von Charisius. Frau Spindelkranich (Name geändert), die mein Buch in Kommission genommen hatte und somit eine gewisse elterliche Verantwortung trug, sei in Urlaub, erfuhr ich von einer ansonsten ratlosen Praktikantin. Ich verließ die Buchhandlung mit einem tragischen Gefühl endgültigen Verlusts.

Wochen später suchte ich erneut den Ort des grausigen Geschehens auf. Frau Spindelkranich war mittlerweile von den Pityusen zurück, nur um mich am Tresen mit der Seufzermiene einer Hebamme zu empfangen, die der werdenden Mutter die Nachricht einer Fehlgeburt überbringen muß. Ob ich mein Buch nicht irgendwann wieder abgeholt hätte, frug sie und rückte zerstreut – oder war’s die emotionale Überforderung? – ihre Brille zurecht, um auf meine energische Verneinung hin (zu welch undurchschaubarem Zweck hätte ich es auch abholen sollen?) mit dem mutmaßlichen Tatbestand herauszurücken: mein Buch sei wohl gestohlen worden, dergleichen komme vor, oweh und ach! da könne man nichts mehr tun.

Mein später in der Buchhandlung eingehendes Fax mit der Frage, wer denn nun für den Verlust des Exemplars haften würde, blieb unbeantwortet, aber ich kann mir heute lebhaft vorstellen, wie Frau Spindelkranich während der Lektüre des Schreibens vor Gram, immerfort die Brille zurechtrückend, vor ihrem inneren Auge den Verkauf und die spätere Insolvenz ihrer Buchhandlung heraufziehen sah ...