Skip to content

Über Absagen, ihre Gründe und die Folgen

Als Autor braucht man einen (richtigen) Verlag.

Nur: Ein (richtiger) Verlag, der 101 Autoren im Programm hat, hat es in der Regel nicht nötig, einen 102. Autor aufzubauen, zumal wenn dieser 102. noch keinen Namen hat. (Mit “richtiger Verlag” meine ich einen Verlag, der das tut, was sein Name impliziert: etwas vorlegen, Geld nämlich für Druck und Herstellung des Buches.)

Das heißt, ich kann als Autor nicht ohne Verlag auskommen, die Verlage dagegen kommen glänzend ohne mich aus.

Das ist die Ausgangslage, die, wie die meisten Kollegen wissen werden, in den berühmt-berüchtigten “Standardabsagen” stets aufs Neue in kühler Verbindlichkeit dokumentiert wird: “... paßt nicht in unser Programm ... sehen wir leider keine Möglichkeit, Ihren Roman im XYZ-Verlag zu veröffentlichen ... wünschen wir Ihnen bei der weiteren Verlagssuche viel Erfolg.”

Man kann erstaunlich viel Zeit darauf verwenden zu spekulieren, was wohl die wahren Gründe für eine solche Absage gewesen sein mögen – die freilich in den seltensten Fällen genannt werden, um zeitraubende Diskussionen mit gekränkten Autoren zu vermeiden. Wenn das Manuskript effektiv ins Programm gepaßt hätte und wenn der Text gut war – zwei Aspekte, die Anfänger wie Profis in den seltensten Fällen verneinen; die Anfänger nicht, weil sie’s nicht besser wissen, und die Profis nicht, eben weil sie’s ganz genau wissen –, dann ist letztlich in den meisten Fällen davon auszugehen, daß es eben einen oder mehr Texte auf dem Tisch des Verlagslektors gab, die besser oder erfolgversprechender waren, nahtloser in einen bestimmten Programmplatz paßten, von bereits bekannten, auf dem Markt etablierten Autoren stammten, dieselbe Idee dramaturgisch geschickter, packender, lustiger oder auf andere Weise überzeugender umsetzten und so weiter.

Auch wenn ich manche hiermit ein wenig desillusionere: Nicht weniger Zeit kann man darauf verwenden zu spekulieren, was wohl die wahren Gründe für eine Absage gewesen sein mögen, wenn dieser Absage eine anderthalbseitige Begründung beiliegt. Was hilft es mir, wenn ich erfahre, mein Manuskript sei zu originell, zu speziell für das Verlagsprogramm, wenn ich nachweislich eine 08/15-Geschichte à la Junge überlebt als einziger Überfall auf sein Dorf und nimmt Rache an den dafür verantwortlichen Schergen des bösen Königs erzähle? Was, wenn mein Stil als zu komplex für das Genre und schwer eingängig bezeichnet wird, wo ich doch einen Hauptsatz mit maximal sieben Wörtern an den anderen reihe? Was, wenn bemängelt wird, es könnten mehr Hauptfiguren und Handlungsstränge sein, wo es von beidem jeweils ein Dutzend gibt und diese selbst von meinen geübtesten Testlesern schon durcheinandergebracht wurden? (Anmerkung: All diese Beispiele sind frei erfunden und beruhen nicht auf eigenen Erfahrungen.)

Richtig – im besten Fall komme ich nach stunden- oder gar tagelanger Rätselei auf den Trichter, daß der Lektor in der Begründung indirekt seine eigenen, ganz persönlichen Vorlieben und Erwartungen referiert, die sich offenbar nicht mit meinen eigenen bzw. mit dem Maße, wie ich selbige in meinem Manuskript umgesetzt habe, decken. Das ist völlig legitim; und mir selbst hat es in der Vergangenheit tatsächlich geholfen, meine Arbeit zu verbessern, weil ich darauf vertraut habe, daß das, was der Lektor (oder sonstwer) da so alles an kritischen Anmerkungen vorbringt, durchaus nicht bloß seinem persönlichen Geschmack, sondern auch seiner Markt- und Branchenkenntnis entspringt. Dieses Vertrauen wurde belohnt.

Allerdings habe ich im Laufe der Zeit ein feines Gespür dafür entwickelt, wie weit ich im Zuge einer solchen Verbesserung gehen darf, kann und will. Ich kann nicht jede beliebige Sparte, ich will nicht auf Knopfdruck ein anderes Genre, und ich darf nicht jeden nur vorstellbaren Geschmack bedienen, wenn ich mir nicht den eigenen guten Geschmack verderben will oder das Risiko eingehen, die eigene literarische Identität aufzugeben. Nicht zuletzt muß ich meinen Namen auf dem Buchumschlag sehen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen oder das Gefühl, daß da eigentlich der Name meines Lektors stehen müßte.

Für die Könige bin ich den goldenen Mittelweg gegangen: Ich habe Zugeständnisse (an das Genre und seine Zielgruppe) gemacht, ohne mich verbiegen zu müssen. Das Manuskript gefällt meinen Testlesern, meinem Agenten und nicht zuletzt mir selber. Nach wie vor faszinieren mich die Figuren, fesseln mich ihre Biographien, verzaubern mich die Schauplätze ihrer Aktivitäten. Ich spüre, wo sich die Kreativität konzentrieren und manifestieren will.

Und deshalb mache ich weiter: an der Fortsetzung. Twokings muß geschrieben werden. Alles andere wird sich weisen.