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Kampf III

Es hat ein wenig länger gedauert als geplant, aber ich habe sie nicht vergessen, die Gedanken über das Kämpfen, die ich nun mit dem dritten und mir wohl wichtigsten Aspekt der Thematik abschließen möchte.

Es geht um den alltäglichen verbal-kommunikativen Austausch zwischen Menschen. Auch er kann geprägt sein von unterschwelligen Attacken und subtiler Rechtfertigung bzw. Verteidigung. Steigerungen sind natürlich ebenfalls möglich, wie ich aus aktuellem Anlaß - im Laufe des gestrigen Tages erreichten mich einige Mails, die eine geradezu pathologisch anmutende Aggression vermittelten - hinzufügen möchte. Der Extremfall ist sicherlich der vorbeikommende Radfahrer, welcher mich vergangenes Jahr in voller Lautstärke und auf offener Straße in Grund und Boden schrie, nachdem die Hündin in den Rinnstein gepinkelt hatte.
Abgesehen von der erschreckenden Gewaltbereitschaft, die uns "zivilisierte" (!?) Menschen auch heutzutage ganz offensichtlich noch in unseren Handlungen leiten mag und vielleicht ein Relikt aus solchen Tagen darstellt, da wir den letzten Feuerstein, den letzten abgelutschten Knochen noch bis aufs Blut zu verteidigen hatten, sofern wir überleben wollten, drängt sich die Feststellung auf, daß z. B. ein physischer (Schwert-)Kampf insofern verblüffende Ähnlichkeit mit dem mit Worten ausgefochtenen Streit besitzt, als in beiden Fällen nicht zu erwarten ist, daß einer der Kontrahenten überraschend kapituliert; und je größer die Wunden irgendeines der beiden, je gewaltiger die Hiebe, die er einstecken muß, desto erbitterter wird er sich zur Wehr setzen, desto verzweifelter wird sein Mut und desto mehr verlangt es ihn dem anderen "heimzuzahlen".

Im ersten Teil von Ran Aléron, Arrec und der Löwe gibt es eine Stelle, an der sich ein paar Figuren mit Worten "fetzen", wenn ich das so sagen darf. Die beiden dabei vertretenen Standpunkte könnten unterschiedlicher kaum sein, sie sind schon fast Extreme (Toleranz und Menschenliebe versus Ausgrenzung und Gewalt). Gerade im Hinblick auf den zweiten bedurfte es einer Menge gutwilliger Empathie, um den Dialog insgesamt glaubwürdig und natürlich spannend zu gestalten. ("Sieger" gibt es keinen; die Kontrahenten werden unterbrochen.) Doch eines kann man im Zuge eines solchen literarischen Prozesses lernen - daß es letztlich die Empathie, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, sein kann, welche den Kampf bzw. Streit zugunsten beider Parteien beenden kann, weil schließlich ein "Verstehen" einsetzt, welches weitere Angriff sinnlos erscheinen läßt.

Natürlich gibt es auch die gesittete, allgemein anerkannte Variante eines Wort-Kampfes, die konstruktive Diskussion nämlich, die, zur Kunst überhöht und brillante rhetorische Fähigkeiten voraussetzend, beispielsweise in Debattierklubs gepflegt wird. "Sieger" und "Verlierer" gibt es immer, oder doch stets diejenigen, deren Argumente "schlagender" sind als die der anderen.

Achtet einmal darauf, wie viele Kämpfe Ihr an nur einem Tag mit Worten auszufechten genötigt seid. Ihr werdet erschrocken darüber sein, wie viele es sind.

Übrigens habe ich gerade gestern eine Kampfszene zwischen zwei Jugendlichen geschrieben, die in meinem neuen Projekt Gegner sind (oder zumindest glauben, es zu sein). Sie ist recht gut gelungen, dachte ich heute nach zweimaligem Lesen. Der Protagonist hat übrigens gewonnen. :-)