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Jubiläum (in etwa)

Im Mai 1998, also vor ungefähr zehn Jahren (das genaue Datum läßt sich leider nicht mehr rekonstruieren, genau wie die Reihenfolge, in der die Musiker damals in Woodstock auftraten – hat das nicht was Friedvoll-Mythisches?), beendete ich meinen ersten Roman, an dem ich mehr als anderthalb Jahre gearbeitet hatte. Es kommt mir nicht vor, als wär’s erst gestern gewesen, auch wenn ich genau das unheimlich gern an dieser Stelle sagen würde. Doch zehn Jahre sind eine lange Zeit. Und was noch wichtiger ist: Ich habe mich in dieser Zeit enorm weiterentwickelt, als Autor wie als Mensch. Meine Romane sind länger geworden, meine Haare ebenso. Ich habe gelernt, zu meinen Texten Distanz aufzubauen (nicht jedoch zu meinen Haaren), eine Tugend, die mir erlaubt, rascher und zielstrebiger ans Werk zu gehen als der Anfänger, der ich damals war, während der Abfassung des ersten “Romänchens”, wie Freunde meiner Eltern das Löwenbuch wohlgefällig nannten. Und nicht zuletzt habe ich mich entschlossen, mit meinem Schreiben den steinigen Weg in die Professionalität einzuschlagen. Freilich nicht mit besagtem Löwenbuch, was putzigerweise viele denken, die mich länger nicht getroffen haben und mich heute im gewieften Konversationsstil nach meinen Schreiberfolgen fragen.

Manche dieser jovialen Zeitgenossen sagten allerdings damals auch zu mir: Du hast ein Buch geschrieben? Toll! Schick es an Marcel Reich-Ranicki! Dann hast du in zehn Jahren ausgesorgt! – Das hab ich heute vielleicht nur deshalb nicht, weil ich seit jeher ein skeptischer Mensch bin und überspannte Ratschläge wie diesen nie befolgt habe. Oder aber meine eigenen Erwartungen waren noch grotesker, indem ich glaubte, ich würde das mit dem Ausgesorgthaben durch das eine Buch auch allein schaffen, ohne den Literaturpapst. So genau weiß ich das nicht mehr.

Jedenfalls bin ich die meisten meiner jugendlichen Illusionen in bezug auf die eigene Autorenkarriere nur zu rasch losgeworden; eine Befreiung, für die ich nichts als Dankbarkeit empfinde, konnte doch schließlich erst unter dieser Voraussetzung der Blick klar werden für die Realität des Literaturgeschäfts, die zu begreifen und mit der umzugehen wohl für jeden angehenden Schriftsteller eine der größten Herausforderungen darstellt. Für alle, die es nicht wissen: Ich liebe Herausforderungen.

Heute weiß ich zum Glück genau, was ich erreichen will und was ich erreichen kann. Und ich spüre, daß die Entwicklung stetig weiter geht. Obwohl ich meine Haare im Dezember gestutzt habe, sind sie schon wieder ein gutes Stück gewachsen. Das ist das Erstaunliche am Leben: Nichts bleibt, wie es ist, und selbst wenn es so aussieht, walten im Verborgenen chronometrisch nachweisbare Kräfte, die Veränderung bewirken. In diesem Sinne schließe ich für heute mit den Worten: Auf bald – und das heißt, nicht erst in zehn Jahren!